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Tanz mit dem Fächer

Dass wir das noch einmal erleben dürfen: Yen Han steht mit dem Rücken zum Publikum, streckt die Arme zur Seite – und der Raum lebt. Wunderbar. Kurz nur ist die langjährige Primaballerina am Zürcher Opernhaus zu sehen, dann verschwindet sie im Dunkeln, und der «disTanz» von Filipe Portugal nimmt seinen Lauf. Der ebenfalls langjährige Solist im Ballett Zürich hat zu Musik von Johann Sebastian Bach und insbesondere dessen Söhnen, Wilhelm Friedemann Bach und Carl Philipp Emanuel Bach, mit dem Orchestra La Scintilla ein Stück geschaffen, das mit rund 45 Minuten um vieles länger ist als sein kleines Juwel «Behind the Mirror» für das Junior-Ballett vom März dieses Jahres. Aber es feiert wie jener Pas de deux zu Schostakowitsch den Zwietanz in vielen Facetten.

Er erscheint als Thema und als Echo, als Motiv und als Kontrapunkt. Ein Paar begegnet sich im Vordergrund, während hinten Mann und Frau, Frau und Mann sich umeinander drehen und da wie dort Frauen in die Luft gehoben werden, dann um den Leib gedreht, in komplexen, verqueren Hebungen. Die Tänzer tun derlei unter einer netzartigen Installation von Marko Japelj, einer Art Kirchenkuppel aus Achtecken, die eisblau oder auch golden leuchtend über ihnen schwebt, sich bald auf die eine, bald auf die andere Seite neigend. Claudia Binder hat den Frauen winzige Röckchen auf den Leib geschnitten, in ihrer Kürze Allusionen an Tutus sowie an die höfischen Kleider aus dem 18. Jahrhundert.

Geschäftiges Umeinander
Die Drehungen sind raffiniert und musikalisch – und könnten musikalischer noch sein, würde Filipe Portugal die Spannung zwischen Musik und Schwerkraft länger aushalten. Der Portugiese war lange Tänzer in Heinz Spoerlis Zürcher Ballett, und der Lehrmeister wird in seinen Arbeiten offenbar. Beim grossen Schweizer Choreografen hat er die Musik atmen gelernt, und der Atem der Musik der Bach-Söhne wird im Spiel der Spezialisten für historische Aufführungspraxis vom Orchestra La Scintilla unter der Leitung von Christopher Moulds sehr schön getragen.

Indes verhüstelt die Choreografie die langen Züge wieder und wieder im geschäftigen Umeinander der Paare. Lift folgt auf Lift, als hätten Männer nichts anderes zu tun, als Frauen durch die Gegend zu tragen. Man wünschte der Choreografie mehr Ruhe, ein Innehalten, Gehen bloss, Tanz eben.

Von ganz anderer Qualität
Dann hebt Hanna Weinmeister zum Adagio der Violinsonate c-Moll an, eine Frau rollt über den Boden – es ist Yen Han. Und die Musik von Carl Philipp Emanuel Bach wird sichtbar. Der Zwietanz von Yen Han und Jan Casier ist von einer ganz anderen Qualität – als hätten beide noch unendlich Zeit auf Vorrat. Komplexe Hebungen auch hier, doch wie sich die heute über vierzigjährige Tänzerin in die Arme Jan Casiers fallen lässt, ist einzigartig.

Erklärungsbedürftig bleibt, warum man Yen Han, seit Christian Spuck die Leitung des Balletts Zürich übernommen hat, so wenig auf der Bühne sieht. Am Alter allein, das wird hier klar, kann es nicht liegen.

Vielleicht gibt «Lady with a Fan» im zweiten Teil des Abends eine mögliche Antwort. Der britische Choreograf Douglas Lee kommt wie Filipe Portugal vom klassischen Ballett her und arbeitet mit klassischen Bewegungen, die er aber mehrfach bricht und verschiebt. Sein Ballett wirkt insgesamt einheitlicher, da bestimmter, im Bewegungsmaterial wie in der Aussage. Und, so hat man den Eindruck, Christian Spucks Tänzerinnen und Tänzer fühlen sich in dieser Bewegungssprache wohler als in der geradlinigen, klassischen Sprache von Filipe Portugal. Wenngleich dessen anspruchsvolle Hebungen technisch versiert ausgeführt sind. Es ist aber schön, dass Christian Spuck beidem Raum gibt.

Wie ein Bild von Velázquez
Douglas Lee geht den Legenden um «Die Dame mit dem Fächer» auf dem Gemälde von Diego Velázquez nach, die gemäss neueren Forschungen Marie de Rohan-Montbazon, die Herzogin von Chevreuse, sein könnte. Sie ging als Intrigantin in die Geschichte ein, und als Superintrigantin mit Fächer zieht Katja Wünsche durch dieses Ballett und lässt die Männer wie eine Horde Affen um sich tanzen. Douglas Lee hat sie in mausgraue Kostüme gekleidet, mit einem Witz von einer Halskrause und da und dort einem Fächer als (geheimer) Waffe.

Sein Bühnenbild ist dunkel, ein graues Tor in Stücken, das nie ganz werden will. Das düstere Setting erinnert zu Beginn an die Stücke von León und Lightfoot – doch der Humor in Bewegung und Begegnung trägt es woandershin. Douglas Lee arbeitet mit den langsamen Sätzen aus Violinkonzerten von Antonio Vivaldi und mit der zeitgenössischen Komposition «Corpus» von Michael Gordon, die dem Abend den Titel gibt und das Ballett vorantreibt, als quirliges Spiel um Macht und Täuschung. Das ist hervorragend getanzt – das Ballett Zürich ist in sehr guter Form.

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