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Ballettabend “Corpus” in Zürich umkreist das Instrument des Tänzers: seinen Körper

„Corpus“ ist lateinisch und heißt „Körper“. Und dieser ist das Instrument jedes Tänzers. Bloße Körper-Virtuosität freilich wäre nicht abendfüllend; es gehört auch eine Portion Beseeltheit dazu. Unter anderem von dieser Innenspannung zwischen Körper und Seele erzählt der „Corpus“ titelnde aktuelle Ballettabend am Opernhaus Zürich mit je einer neuen Choreografie von Filipe Portugal und Douglas Lee. Und: Die Körperkünstler von der Hauptkompanie des Balletts Zürich und dem Junior Ballett treffen auf einen besonderen Klang-„Körper“, nämlich das aus Musikern des Hausorchesters rekrutierte Originalklangensemble „Orchestra La Scintilla“ unter der inspirierten Leitung von Christopher Moulds.

In „disTANZ“ für 25 an der Uraufführung hochengagiert agierende Tänzer scheint Filipe Portugal mit vielteiligem choreografischem Besteck geradezu Bewusstseinszustände zu untersuchen, verschiedene Abstände zwischen Körper und Psyche auszumessen. Portugal, seit längerem auch als wunderbarer Erster Solist am Opernhaus wirkend, treibt eine aus einer Neoklassik heraus entwickelte Bewegungssprache fantasievoll weiter.Geometrisch Abgezirkeltes etwa mag da einen wie losgelöst von der Seele agierenden Körper anzeigen. Umgekehrt verrät sich gerade in finessenreichen Soli, sich verschlingenden Pas de deux und vielgestaltigen Gruppentänzen eine Ausdruckskunst, mit der subtilsten Regungen nachgefahren wird. Mit Jan Casier tanzend, wächst zum Beispiel die fragile Yen Han hinein in besonders feinnervige Gefühlswelten.

Wirkungsvoll ist ein aus zirka 2000 lichtdurchlässigen Metallwaben zusammengeschweißtes, wechselnd positioniertes und beleuchtetes Riesenobjekt des Bühnenbildners Marko Japelj. Und „disTANZ“ bezieht auch Titel-Hintersinn aus der Musikwahl: Von Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach stammende Sätze, ergänzt um moderne Soundcollagen, erinnern daran, wie diese Komponisten sich produktiv distanzieren mussten von ihrem (Über-)Vater Johann Sebastian. Douglas Lee hat sich für sein von ihm selbst ausgestattetes Ballett anregen lassen von der rätselhaften „Dame mit dem Fächer“ des barocken spanischen Hofmalers Diego Velazquez.

Dass es sich bei der Porträtierten womöglich um eine aus Frankreich verjagte intrigenfreudige Exilantin handelt, hat Lee zu „kriminalistischen“ Sequenzen angeregt. Mit kühnen Biegungen und bald fließenden, bald ruckartigen Bewegungen unternimmt diese Choreografie zu Musik Vivaldis und des 1956 geborenen Barockmusik-Fans Michael Gordon eine gleichfalls bald körperbetontere, bald „beseeltere“ Reise durch 40 Aufführungsminuten, die nie von Langeweile bedroht sind. Plötzlich atmen die frei barockisierenden Kostümen samt Halskrausen eine bedrohliche Schwärze, wirken die Fächer wie verlängerte Arme oder baut Lee etwa eine Passage ein, die auf mögliche androgyne Elemente im Leben dieser „Mona Lisa des Barocks“ verweist. Wandobjekte, die sich flink verschieben und anheben lassen, ergeben wechselnde und oft bespielbare Bauten für die akrobatischen 15 Tänzer mit einer staunenswert elastischen Katja Wünsche in der Titelrolle.

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